CHICO: Der Metal-Relief-Künstler

Der folgende Artikel ist ursprünglich 2004 erschienen und wurde in der HEAVY-Ausgabe 76 veröffentlicht. Noch heute fertigt Chico für das BANG YOUR HEAD!!! und das ROCK OF AGES jedes Jahr tolle neue Relief-Kunstwerke an, die uns ebenso begeistern wie die Bands, die sie überreicht bekommen. Mittlerweile ist Chico in die Messe-Halle bzw. ins Seebronner Vereinsheim umgezogen, einige Jahre älter als 45 und nicht nur seine Schläfen sind ergraut. Aber er ist uns nach wie vor der gleiche angenehme und liebe Gast :-)

Metal dreidimensional

An sich dienen die Container im sogenannten „Artist Village“ des BANG YOUR HEAD!!! als Umkleide- und Aufenthaltsmöglichkeiten für jene Bands, die das musikalische Rahmenprogramm des Festivals bestreiten. Doch einer der unscheinbaren weißen Kästen birgt etwas Besonderes: Ein liebevoll gearbeitetes Kunstwerk, das am Ende des Festivals dank der Signaturen zahlreicher Musiker ein einzigartiges Sammlerstück sein wird.

Die Unterschriften umrahmen ein bekanntes Motiv: Die beiden Monsterköpfe, die – ineinander verkeilt – das Veranstaltungsmotto verbildlichen und sich längst als Logo mit Wiedererkennungswert etabliert haben. Der Künstler hat sie als Metall-Relief ausgearbeitet – in einer Technik, die, wie er betont, in dieser Form einzigartig ist. In Silber- und Bronzetönen ragen die beiden körperlosen Konterfeis dem Betrachter entgegen und wirken in dem großflächigen schwarzen Hochglanzrahmen ausgesprochen edel. Der Schöpfer dieses bemerkenswerten Werkes steht anbei: Ein ruhiger, höflicher und stets freundlicher Mann Mitte 40, in Jeans, T-Shirt, dunkelhaarig und mit leicht ergrauten Schläfen und Schnauzbart - fast unscheinbar in einer Umgebung, die vor auffälligen Musikerpersönlichkeiten nur so wimmelt. Dabei ist Zdzislaw Mikolajczak oder Chico, wie er sich nennt, längst selbst ein bekannter Name im bunten Rock- und Metal-Musikzirkus. Und nicht nur dort. Dank seiner außergewöhnlichen Technik hat sich der gebürtige Pole einen Namen als Schöpfer besonderer Erinnerungsstücke, Preise und Ehrungen gemacht, die vor allem bei Musikern und Plattenfirmen sehr begehrt sind. Seine Arbeit brachte dem gefragten Auftragskünstler in der „Enzyklopedia Niezwyklosci - Polskie Rekordy i Osobliwosci“, dem polnischen Pendant zum „Guiness Buch der Rekorde“, mehrfach den Eintrag „Polnische Persönlichkeit des Jahres im Ausland“ ein und wurde im Laufe der Jahre Grundstein zu vielen engen Freundschaften mit den Musikern, die Mikolajczak in Metall verewigt hat – unter ihnen wohlklingende Namen wie METALLICA, JUDAS PRIEST, HAMMERFALL oder NAZARETH.

All das hätte sich der Mann, der heute als Chico weltweiten Bekanntheitsgrad genießt und in Bochum lebt, kaum träumen lassen, als er im November 1983 nach Deutschland kam: „Brieffreunde von mir hatten mich nach Deutschland eingeladen. Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, zu bleiben, und es war eigentlich eher Zufall, dass ich mir hier eine neue Existenz aufgebaut habe. Der bewußte Entschluß, Künstler zu werden, reifte erst, nachdem ich schon in Deutschland war.“

Seine künstlerische Begabung und Neigung entdeckte er indes schon im Kindesalter. „Ich bin im Grunde schon mein Leben lang ein Künstler. Mit 3 oder 4 Jahren habe ich angefangen, mein Spielzeug selbst zu gestalten und fertigen - damals natürlich noch mit der Hilfe meines Vaters. Meine ersten "Kunstwerke" waren Autos und Boote, die ich auch teilweise in Holz und Rinde geschlitzt habe.“ Im Grundschulalter begann Mikolajczak, Skulpturen aus Seife, Ton und Gips zu schnitzen. Bald versuchte er, aus Seifenbrocken Musiker-Figuren zu formen, und schließlich entstand aus diesem Material seine damalige Lieblingsband NAZARETH als Miniatur - mitsamt Boxen, Drumkit und Instrumenten. Im Laufe der Jahre erprobte sich Mikolajczak in verschiedenen Bereichen der bildenden Künste und entdeckte schließlich den besonderen Reiz des Reliefs. „Ich liebe die Bildhauerei, aber ein Relief herzustellen ist für mich reizvoller als die Arbeit an einer Skulptur.“, erklärt er. „Beim Erarbeiten eines Reliefs muss man gute handwerkliche Technik mit dem Gefühl für Perspektive, Kürzungen, Schatten und vielem mehr verbinden. Ich denke, gerade diese Herausforderung brachte mich auf die Idee, mich mit dem Relief zu beschäftigen.“ Die Verbindung von handwerklichem Können und künstlerischer Gestaltung übt auf den Polen seit jeher einen großen Reiz aus: „Ich habe schon immer die Künstler der Renaissance bewundert. Das war die Epoche der Genies: Michelangelo, Leonardo da Vinci, Raffael... Ich liebe diese Persönlichkeiten nicht nur als Künstler, sondern auch als Handwerker. Wie sie den Marmor belebt haben! Ich empfinde generell sehr große Achtung vor kreativen Menschen.“

Was ihn als Künstler und bekennenden Musikliebhaber wohl auch dazu bewogen hat, mit seinen Arbeiten ihm wichtige Musiker und Bands zu ehren. „Musik begleitet mich schon seit Geburt an.“, erinnert sich der heute 45jährige. Mein Vater besitzt nicht nur mehrere Akkordeons, er spielt auch hervorragend! Ich habe mich schon immer besonders für Rockmusik, die übrigens damals in Polen noch verboten war, interessiert. Bands wie NAZARETH, DEEP PURPLE oder URIAH HEEP zählten zu meinen Favoriten. Heute höre ich Musik ganz nach Laune und Stimmung - mal Chopin, mal Kitaro oder PINK FLOYD, Jazz und natürlich jede Art von Rockmusik bis hin zum Heavy Metal. Heavy Metal ist einfach großartig und hier in Deutschland gibt es eine wirklich sehr starke Szene. Ich bin mit so vielen Bands und Musikern, die ich sehr respektiere, befreundet - ich warte immer ungeduldig auf ihre nächste CD!“, begeistert sich der Künstler, der früher selbst Gitarre gespielt hat.

Eine Heavy Metal-Band war es denn auch, der Mikolajczak sein erstes Relief widmete: „Als Motiv-Vorlage dienten JUDAS PRIEST. Das ganze entstand 1991 einfach so und ohne große Hintergedanken. Wie der Zufall es wollte, sah ein damaliger Arbeitskollege das Relief, der die Musiker von KREATOR kannte. Er erzählte deren Gitarristen Frank Gosdzik davon und so kam es zu meiner ersten Auftragsarbeit: Einem "Coma of Souls"-Relief für KREATOR.“ Weitere Aufträge ließen nicht lange auf sich warten, und in den Folgejahren entstanden zahlreiche weitere Arbeiten, darunter Relief-Werke für METALLICA, AC/DC, WHITESNAKE, GUNS’N’ROSES, MÖTLEY CRÜE und BON JOVI. Eine besondere Ehrung wurde Mikolajczak anlässlich der Verleihung eines goldenen Schallplattenpreises an IRON MAIDEN für deren DVD-Veröffentlichung ‚Rock In Rio’ zuteil: Als erste Gold-DVD-Auszeichnung in der Geschichte der polnischen Musikindustrie überhaupt wurde ein Exemplar der Relieftafel, die er für diesen Anlass entworfen und gestaltet hat, als Exponat in die Dauerausstellung des Museums für polnische Rekorde und Persönlichkeiten in Rabk Zdroj aufgenommen.

Neben der Musik prägt eine zweite große Leidenschaft Leben und Schaffen des Künstlers: Fußball. „Wenn ich nur könnte, würde ich täglich spielen“, merkt er an. „Die Krönung eines jeden Besuchs in meiner Heimatstadt Kepno ist ein Fußballfest. Dort kickt die gleiche Clique seit mindestens 25 Jahren jeden Freitag!“. Als großer Freund der „Pott-Mannschaften“, wie er sie liebevoll nennt, war es Mikolajczak eine große Freude, dem FC Schalke 04-Manager Rudi Assauer anlässlich der Feier des 100jährigen Bestehens seines Vereins ein Jubiläums-Relief zu überreichen: „Er hat sich sehr gefreut und die Arbeit wird ab sofort im FC Schalke 04-Museum zu bewundern sein.“

Seine Arbeit hat ihm, der in einer ländlichen Kleinstadt groß geworden ist, schon viele Türen geöffnet. Doch sein größter Traum geht erst noch in Erfüllung: „Im Juni habe ich eine Audienz bei Papst Johannes Paul II.! Ich freue mich wirklich sehr darauf. Auch er kommt aus Polen und ist für mich der beste Botschafter unserer Heimat in der Welt. Er war der erste Papst, der alle Vertreter anderer Religionen empfangen hat! Für mich ist er die größte Persönlichkeit überhaupt - mit einem großen Herz und einem coolem Kopf. Zu seinem 25jährigen Pontifikats-Jubiläum habe ich ein eines meiner bislang schönsten Reliefs geschaffen und werde ihm diese Arbeit persönlich überreichen.“

Autor: 

Thomas Michel

Aus Heavy-Ausgabe: 

76

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